Sport

Barbara Rittner im Interview

Kurz vor dem Abflug nach Australien, wo ihr Fed-Cup-Team erstmals seit 1995 wieder in einem Halbfinale steht, findet Bundestrainerin Barbara Rittner Zeit für ein Gespräch mit Jörg Staude über den Boom im deutschen Damentennis, warum sie nicht als „Mutter der Kompanie“ gelten möchte, über die Medien im Allgemeinen und ihre Vorliebe für Eishockey im Besonderen.  (Fotos: Getty Images)

 

Frau Rittner, was machen Sie an einem seltenen freien Tag wie diesem?

Vormittags Sport, manchmal gebe ich Interviews so wie Ihnen jetzt; ich telefoniere und organisiere viel Lehrgänge, mache mir Gedanken, wann es Sinn ergibt, welchen Jahrgang mit welchen Trainern einzuladen.

Sie sind seit über 25 Jahren ständig unterwegs, erst als Spielerin, jetzt als Trainerin. Mögen Sie das Reisen noch? 

Es quält mich immer mehr, auch weil ich Ende letzten Jahres umgezogen bin und in Köln endlich meine Traumwohnung mit Rheinblick gefunden habe; das macht es nicht leichter wegzufahren. Nichtsdestotrotz liebe ich diesen Sport und bin sehr eng mit den Spielerinnen und den Trainern verbunden. Vor Reisen werde ich übellaunig, denn ich reise viel allein, das ist nicht so schön.

Gibt es bei Ihnen Tage ohne Tennis?

Leider nicht ohne an Tennis zu denken. Ich versuche einmal im Jahr, vor den US Open,  Urlaub zu machen. Das habe ich allerdings erst zweimal geschafft. Ich gehe gerne campen oder fliege auf meine Lieblingsinsel Mallorca, wo ich eine Woche zum Runterkommen brauche. Dass ich Tennis spiele, kommt selten vor. Wenn mich jemand anruft, um eine Stunde zu spielen, schlage ich lieber Laufen oder Fußball vor, denn Tennis denken reicht mir.

Was hätten Sie gemacht, wenn Sie 2005 diesen Job nicht bekommen hätten?

Es war ein Riesenglück. Mich hat der damalige DTB-Präsident Georg von Waldenfels schon 2003 gefragt. Klaus Hofsäss, einer meiner Vorgänger, hat mir auch dazu geraten. Da bin ich ins kalte Wasser gesprungen. Einigermaßen gut Tennis gespielt zu haben, bedeutet aber noch lange nicht, diesen Job gut machen zu können. Aber Tennis ist ein großer Teil von mir. Ich  werde wohl nichts anderes mehr so gut können und kennen. Ich hatte ja auch nie die Zeit, herauszufinden, was ich sonst hätte machen sollen. Ich weiß, dass ich ein Riesenherz für Tiere habe, mit 15 wollte ich Elektrotechnik studieren. Daran bin ich etwas vorbeigeschrammt.

Wenn man solange wie Sie professionell Sport betrieben hat, meldet sich doch irgendwann der Körper und sendet Alarmsignale. 

Das lässt sich nicht vermeiden. Ich hatte aber Glück und in meiner Jugend gute Trainer, die viel auf Ausgleich geachtet haben. Ich habe so gut wie keine Rückenprobleme, bin zweimal am rechten Sprunggelenk operiert worden, kann aber Skifahren, Joggen gehen und Fußballspielen. Beim Tennis versuche ich Aufschläge zu vermeiden, weil die rechte Schulter gelitten hat. Ohne Sport geht es aber nicht, ich fühle mich besser, wenn ich mich bewege. Wenn ich nichts mache, wird mein Körper steif, dann schmerzt der gesamte Körper. Wenn ich schlechte Laune habe, sagt mein Freund immer, ich solle Joggen gehen. Das macht den Kopf frei; und wenn es morgens um sechs ist.

Sie waren selbst 15 Jahre auf der Tour. Wie profitieren die jungen Spielerinnen von Ihren Erfahrungen und wie bekommen Sie es hin, dass es nicht so klingt wie „Oma erzählt aus dem Krieg“?

Den Ausdruck „Mutter der Kompanie“ finde ich fürchterlich. Ich sehe mich eher als Ratgeber im Hintergrund, habe viele Situationen durchlebt, aber auch viel falsch gemacht. Manche Dinge muss man falsch machen, um sie zu begreifen. Ich sage den Mädels, was ich denke; was sie damit machen, bleibt ihnen überlassen. Bei Schwierigkeiten schreibe ich auch schon eine lange E-Mail. Ich erzähle oft Geschichten von Steffi Graf oder Anke Huber, in denen es nicht um mich geht, sondern um erfolgreiche Spielerinnen, die sie selbst respektieren. Es ist wichtig, dass die Mädels ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen und Entscheidungen treffen.

Warum hat man bei Frauenmannschaften das Gefühl, richtige Mannschaften zu sehen, während bei den Männern der archaische Konkurrenzkampf vorzuherrschen scheint? 

Ist das so? Was machen Frauen, wenn sie zusammensetzen? Quatschen. Wenn wir zusammen sitzen, ist es wie ein Klassentreffen. Männer trinken oder spielen Karten und sind weniger kommunikativ. Dass wir Frauen mehr kommunizieren, hat aber nicht unbedingt mit Nähe zu tun. Ich glaube, das ist charakterabhängig und geschlechtsunabhängig. Zum Glück suchen meine jetzigen Spielerinnen alle das Team.

Barbara Rittner - Ticketmaster

Bundestrainerin Barbara Rittner

„Wenn ich mit Boris Becker Essen ginge, würde ich mit ihm auch nur über Tennis reden.“

Hat es Sie überrascht, dass Boris Becker noch einmal einen Trainerjob übernommen hat?

Ja, aber auch gefreut, den Boris Becker in dem Metier zu sehen, in dem er uns alle mitgerissen hat. Denn im Tennis wird er nicht so viele Fehler machen wie in anderen Bereichen, was er neulich im „Aktuellen Sportstudio“ zugegeben hat. Wenn ich mit ihm Essen ginge, würde ich mit ihm auch nur über Tennis reden.

Im Gegensatz zu Becker, der sich auf dem Boulevard präsentiert, erzieht Steffi Graf ihre Kinder in Ruhe zweisprachig. Faszinierend, oder?

Man kann diese beiden deutschen Tennisidole nicht miteinander vergleichen. Steffi war schon früher vor jeder Einladung ins Sportstudio flau im Magen, während Boris extrovertiert ist. Er genießt seine Popularität, während Steffi schon immer bescheiden und zurückhaltend war. Einige aus der jetzigen Generation, wie Andrea Petkovic und Sabine Lisicki, sind auch extrovertierter. Angelique Kerber ist eher ruhiger.

Ganz ehrlich, was haben Sie gedacht, als Sie von Lisickis Beziehung zu Oliver Pocher erfuhren?

Ich habe es zuerst für eine Zeitungsente gehalten. Aber ich habe Pocher als sehr angenehm kennengelernt. Er unterstützt Sabine, wo er kann. Ich wünsche meinen Spielerinnen, dass sie glücklich sind. Und frisch verliebt zu sein, ist immer schön. Auch wenn ich kein großer Fan seiner Art von TV-Unterhaltung bin.

Dass eine solche Beziehung Boulevard-Thema ist, liegt auch am Aufschwung im Damentennis der letzten Jahre. Woher kommt der Ihrer Meinung nach? 

Zum einen sind die Jahrgänge 87 bis 89 sehr talentiert, da ist bei jeder sogar noch Luft nach oben. Und durch meine Person, die seit zehn Jahren konstant hinter ihnen steht, bekommen sie zusätzlich Selbstvertrauen, Ruhe und Unterstützung. Dieser Rückhalt spielt eine wichtige Rolle. Beim Nachwuchs haben wir aktuell ein Problem. Wer bis 16 Uhr zur Schule muss, hat kaum Zeit für Leistungssport. Im Fußball gibt es seit einigen Jahren die Internate, da müssen wir auch hin.

Warum ist Tennis nicht mehr der Breitensport, der er einmal war?

Erstens hat sich die Gesellschaft dramatisch verändert. Es gibt Fun- und Randsportarten, die  cooler sind; Skateboarding kann sogar bis zu Olympia führen. Tennis kommt, wie andere Sportarten auch, zu kurz, was wir in der Nachwuchssichtung merken. Deshalb müssen wir auch mit den vorhandenen Talenten behutsam umgehen. Zweitens strafen die Öffentlich-Rechtlichen Tennis mit Nichtbeachtung ab. Das finde ich schade. Da werden lieber zehn Minuten eines Viertligaspiels gezeigt als Handball, Basketball oder Tennis. ARD und ZDF kommen ihrem Auftrag nicht nach, Dinge in der Breite zu zeigen. Wahrscheinlich muss erst wieder ein Deutscher einen Grand Slam gewinnen.

Turniere wie der anstehende Versicherungscup in Nürnberg vom 18. bis 24. Mai 2014 sind nur mit Hilfe von Sponsoren durchführbar. Wie haben Sie Porsche ins Boot des Fed-Cup-Teams geholt? 

Ich war zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Leuten am richtigen Ort. Der Porsche-Vorstand ist selbst am Tennis interessiert, das ist gelebte Partnerschaft. Das Ganze ist beim Porsche-Grand Prix in Stuttgart zustande gekommen, im Jahr, als Jule Görges gewonnen hat. Vielleicht hat meine Bekanntschaft mit Sigmar Gabriel auch geholfen, der dabei saß. Vielleicht habe ich auch gut etwas herum gejammert (lacht).

Nicolas Kiefer hat gesagt, dass Ihre Arbeit zu wenig geschätzt wird. Freut oder ärgert Sie ein solches Zitat?

Teilweise stimmt es. Ich arbeite gerne im Hintergrund und brauche nicht ständig Lob. Die größte Genugtuung sind Erfolge. Mir tut es weh, wenn von den Medien auf den Mädels herumgehackt wird, weil es nicht zum Finale gereicht hat. Typisch deutsch: Werden wir Fußballweltmeister, sind wir die Könige, fliegen wir im Viertelfinale raus, sind wir die Deppen. Ich denke nicht so. Auch ein Viertelfinale kann gut sein.

Nervt Sie der Vorwurf, Sie seien manchmal zu defensiv, wenn Ihnen etwas nicht passt?

Das kann gar nicht sein! Georg von Waldenfels hat damals Angst davor gehabt, ich könnte an meiner zum damaligen Zeitpunkt gering vorhandenen Diplomatie scheitern. Ich lasse mich nicht verdrehen, aber ich weiß genau, wann ich mich zurückhalten muss. Wenn ich immer sagen würde, was ich denke, dann hätte ich den Job schon lange nicht mehr. Vielleicht schreibe ich in 20 Jahren ein Buch.

Darin stehen dann auch die Gründe für ihre Liebe zum Eishockey.

Ich bin in Krefeld aufgewachsen, da gab es den KEV oder die DEG in Düsseldorf. Ich liebe die Action dieses Sports und habe früher als Aktive sogar mit der DEG zusammen Konditionstraining gehabt. Ich liebe Live-Sport generell und gehe auch regelmäßig zum Fußball.

 

Termine 2014

Nürnberger Versicherungscup
18. – 24.05. 2014
Tennis-Club 1. FC Nürnberg, Nürnberg