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Interview

New Music Interview: Das Paradies

Florian Sievers beweist mit seinem Solo-Projekt Das Paradies, dass deutsche Pop-Musik im Jahr 2018 nicht nur aus platten Worthülsen bestehen muss. Wir haben den spannendsten Indie-Newcomer des Jahres zum Interview getroffen.

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Das Paradies ist 2018 so richtig durchgestartet. Das erste Album des neuen Projekts von Florian Sievers, den Indie-Fans von seiner Band Talking to Turtles kennen dürften, kam Ende August heraus. Von der Fachpresse und Indie-Szene in Deutschland gefeiert, ging es dann auf die relevantesten Festivals, wie das Dockville, das C/O-Pop oder Reeperbahn-Festival.

Im Herbst startete dann die erste Das Paradies Tour – darunter ein ausverkauftes Heimspiel-Konzert in Leipzig. Bevor der zweite Teil der „Goldene Zukunft“ Tour im Dezember mit Das Paradies Konzerten in Berlin, Stuttgart, München und Erfurt weitergeht, haben wir Florian Sievers in Hamburg zu einem sehr entspannten Interview getroffen.

Mit deiner Band Talking to Turtles bist du seit längerem kein Unbekannter in der deutschen Indie-Szene. Wie bzw. wann hast du die Entscheidung getroffen, erstmal solo als Das Paradies Musik zu machen?

Es war keine richtige Entscheidung. Wir wollten eine Pause mit Talking to Turtles machen. Ich hatte irgendwann Lust mit deutschen Phrasen, Zeilen und Worten herumzuspielen, aber das war zunächst noch weit davon entfernt, einen ganzen Song aufzunehmen. Am Anfang standen ein paar Melodien mit ein paar Zeilen, irgendwann war ein Lied fertig und es hat mir Spaß gemacht und ich habe aus irgendeinem Grund nicht aufgehört.

Wie kamst du zum Künstlernamen „Das Paradies“?

Gekommen bin ich zu dem Wort bzw. Namen ganz zufällig. Wenn man so durch die Gegend läuft, begegnen einem ständig irgendwelche Paradiese: Möbel-Paradies, Obst-Paradies und so weiter. Ich finde es interessant, dass im Begriff „Paradies“ verschiedene Ebenen stecken, die nicht ausschließlich positiv sind. Ich finde die Ambivalenz des Wortes ganz interessant.

Das paradies Hamburg

In der deutschen Musik-Szene wurde dein Debütalbum „Goldene Zukunft“ 2018 gefeiert – wie schätzt du die Resonanz ein?

Das weiß ich gar nicht so genau. Ich lese keine Rezensionen oder Artikel. Aber ich habe viele Komplimente für mein Album bekommen und freue mich, dass die Leute das Album hören und es ihnen gefällt. Vor allem gefällt es mir natürlich, wenn die Leute auf den Das Paradies Konzerten meine Musik feiern und mitsingen, das ist ein großartiges Gefühl.

Bist du lieber live auf der Bühne oder im Studio?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Beides beinhaltet tolle Aspekte des Musikmachens. Ich bin gerne im Studio, weil man sich da beim Musikmachen in seine eigene Welt zurückzieht. Konzerte sind dann wie ein Ausflug – da trifft man auf Leute, die die Musik hören. Bevor es Social Media gab, waren Konzerte der Ort, wo du als Musiker mit Leuten zusammenkommst, die deine Musik kennen oder kennenlernen möchten. Am Ende sind Konzerte und Festivals eine Art der Zusammenkunft, auf die es für Musiker ankommt. Die Musik ist ja auch für Hörer gemacht und wo passiert es sonst in einer sehr direkten Form, dass Musiker ihren Hörern das eigene Zeug präsentierten können.

In Leipzig habe ich ein kleines Studio, wo ich mir die Zeit nehmen konnte, in Ruhe zu überlegen, wie meine eigene Musik klingen könnte. Als ich dann das Gerüst und die Klangwelt soweit hatte, war es dann auch schön, nicht mehr alleine an den Songs zu schrauben, sondern mit meinem Freund Simon Frontzek in seinem Studio in Berlin die Songs fertig zu produzieren. Und dann als nächsten Schritt konnte ich kaum erwarten, die Songs live zu spielen.

Das Paradies - Es gab so viel, was zu tun war (Offizielles Video)

Du warst 2018 mit Element of Crime auf Tour – seit Jahrzehnten stehen Sven Regener und Kollegen für poetische Pop-Musik auf deutsch. Was konntest du von ihnen noch lernen?

Ich mag die Band und die Musik, auch die Bücher von Sven Regener. Deshalb war es umso schöner für mich, als Vorband mit bei Element of Crime Konzerten zu sein. Zumal das Publikum sehr wohlwollend war, sehr aufmerksam. Dadurch dass die ganze Band und die Crew schon lange zusammenarbeitet, ist bei Element of Crime eine ganz tolle Entspanntheit vor, auf und hinter der Bühne zu spüren. Das hat mich beeindruckt. Es war ein schönes Grundgefühl zwischen der Band und dem Publikum. Ich habe absoluten Respekt vor ihrer Arbeit.

Die Songtexte spielen bei Das Paradies eine große Rolle – was ist zuerst da – die Melodie oder der Text?

Das ist immer unterschiedlich. Manchmal habe ich eine Zeile im Kopf, da weiß ich gar nicht so genau, woher sie kommt. Musikalisch ist es eigentlich ähnlich. Es gibt aber immer eine Initialzündung, egal ob textlich oder musikalisch. Um diesen kleinen Punkt herum formt sich der ganze Song, nach und nach entsteht eine kleine Welt und es fügt sich alles zusammen. Erst hat man eine Idee und dann entsteht ein Arbeitsprozess, an dem man rumschleift, Zeilen und Töne hinzufügt und wieder wegnimmt. Ich mag diese Phasen sehr gern, durch die ein Lied so geht.

Bei deiner Band Talking To Turtles waren die Songs auf englisch – hat es dich gereizt, ein Album auf deutsch aufzunehmen?

Am Anfang war es mehr so eine Spielerei, an eigenen Songs zu schreiben. Alleine im stillen Kämmerlein sozusagen. Es gab jetzt auch nicht den Moment, wo ich gesagt habe: Ich mache jetzt eine deutschsprachige Platte. Wenn man ein Gefühl mit einem Lied transportieren oder festhalten möchte, dann ist es egal auf welcher Sprache. Manchmal findet man sofort den Ton, mal weniger, aber das hat nichts mit der Sprache zu tun.


Fotos: Frederic Elfeld