Musik
Interview
Alicia Keys im Interview zum neuen Album „ALICIA“
Nach längerer Pause kehrte Alicia Keys Anfang 2020 in die Öffentlichkeit und hoffentlich bald auf die Bühnen der Welt zurück. Nicht nur ihr siebtes Album ist erschienen, auch die Autobiografie "More Myself" begeistert ihre Fans. Es gibt also eine Menge mit der New Yorker Künstlerin zu besprechen.
Am Vorabend, als Alicia Keys ihr siebtes Album „ALICIA“ vor geladenem Publikum präsentierte, gab es noch Garnelenhäppchen und kräftige Cocktails. Nun jedoch, beim Interview in einem von West Hollywoods Top-Hotels, ist karge Kost angesagt. Alicia Keys, 39, mümmelt an Seetang-Streifen, die ein verblüffend krosses Kaugeräusch verursachen. Da erwacht die journalistische Neugier mal wieder an der falschen Stelle, der Nachgeschmack der von Keys dargebotenen gepressten Algen bleibt während des gesamten halbstündigen Gesprächs doch sehr präsent.
Und wie schmecken die Algen?
Alicia Keys: Schmeckt ganz interessant, vielleicht ein bisschen fischig. Nun ja, es kommt schließlich aus dem Ozean (lacht). Ich esse Seetang gerne anstelle von Chips. Das Geräusch beim Knabbern ist so schön knusprig. Mir gibt das dieses Chipsgefühl, ohne tatsächlich Chips essen zu müssen.
In „Good Job“, einem deiner neuen Lieder, besingst du eine Frau, die jeden Morgen um 6 Uhr aufsteht und ein hartes Pensum absolviert. Bist du selbst diese Frau?
Alicia Keys: Ein Stück von mir steckt ganz klar in dieser Frau. Obwohl ich eher von Frauen wie meiner Mutter, wahrscheinlich auch deiner Mutter, rede. Frauen, die viel geopfert haben, um uns großzuziehen.
Du hast mit deinem Mann, dem Produzenten Swizz Beatz, zwei gemeinsame Söhne, den neunjährigen Egypt und den fünfjährigen Genesis. Was opferst du?
Alicia Keys: Vor allem Schlaf (lacht). Die Kids werden um 6.30 Uhr aus den Betten geschmissen, um 7.15 Uhr müssen wir aus dem Haus und ab zur Schule. Morgens ist bei uns jede Minute durchgeplant.
Bei der Albumvorstellung hast du betont, dass du auf „ALICIA“ die versteckten Teile deiner Persönlichkeit erforscht hast. Von welchen Seiten sprichst du konkret?
Alicia Keys: Von dem Teil von mir, der rot wird vor Wut. Von dem Teil, der niedergeschlagen und traurig sein kann. Alle die Teile, die nicht immer so Zen, so easy und so cool wirken. Auch der Teil, der ein gewisses Maß an Exzellenz verlangt und einfordert und nicht weniger als das Optimum akzeptiert.
„Keine Angst vor der eigenen Großartigkeit“
Hast du ein anderes, ein noch stärkeres, Selbstvertrauen bekommen?
Alicia Keys: Das auch. Vor allem ist es mir endlich gelungen, dem Wunsch nachzugeben, keine Angst mehr vor der eigenen Großartigkeit und vor meinem Können zu haben.
Kannst du das näher ausführen?
Alicia Keys: Frauen sind zu nett. Die meisten Männer haben mit diesen Dingen ja überhaupt keine Schwierigkeiten. Wir Frauen aber wollen nicht herausstechen. Wir wollen lieber mitschwimmen im Strom, denn wenn wir herausragen, spaltet uns das von den anderen ab und das lässt uns in einem helleren Licht erstrahlen. Diesen Scheinwerfer wollen wir nicht auf uns gerichtet haben. Auch mögen wir es nicht, wenn sich andere wegen uns schlecht fühlen oder neidisch sind. Doch wir sollten Herausragendes anerkennen und dazu stehen. Wir sind gut, und das sollen wir auch zeigen dürfen.
Du hast gerade zum zweiten Mal die Grammy-Verleihung moderiert. Magst du es auch, Menschen zusammenzubringen?
Alicia Keys: Ja, total. Ich lade gerne ganz verschiedene Menschen nach Hause ein und will, dass sich alle gemeinsam wohl fühlen. Dass sie sich entspannen, sich sicher und geborgen fühlen. Ich liebe es, ein Umfeld zu schaffen, an dem Menschen sie selbst sein können – egal, ob das der Wohnzimmertisch, die Grammys oder ein Konzert ist.
Kann man das Musikgeschäft von vor zwanzig Jahren mit dem von heute überhaupt noch vergleichen?
Alicia Keys: Es hat sich definitiv manches verändert, seit ich 20 war. Die Technologie vor allem. Heute ist es leichter, Musik zu veröffentlichen. Genau, wie es leichter ist, spannende Musik zu finden. Das Business ist demokratischer geworden, offener für alle. Zugleich ist vieles gleichgeblieben, und vieles wird wohl auch immer gleichbleiben. Vor allem: Ein großartiger Song wird immer alles übertrumpfen. Er ist die beste Karte, die du spielen kannst.
Ein Song wie „Underdog“ also, deine aktuelle Single, an der auch dein Kumpel Ed Sheeran mitgeschrieben hat. Von wem ist das Stück inspiriert?
Alicia Keys: Von meinen Freunden und mir. Wahrscheinlich auch von Ed und seinen Freunden. Und von Johnny McDaid, der ebenfalls daran mitgeschrieben hat. Ich wuchs im damals noch ruppigen New Yorker Stadtteil Hells‘ Kitchen auf, meine Mutter zog mich alleine groß. Wir alle, meine Freunde, Bekannten, versuchten unseren Weg zu finden, unsere Träume zu verwirklichen, es einfach nur irgendwie zu packen, nicht unterzugehen und sich nicht unterkriegen zu lassen. Diesen Glauben daran, dass alles möglich und erreichbar ist, halte ich für eines der wunderbarsten Gefühle überhaupt. Der Underdog ist der, den du anfeuerst. Damals waren wir alle Underdogs.
Als „Fallin“ rauskam, warst du noch ein Teenager. Und dennoch hast du damals schon so reif, so abgeklärt, so komplett und charakterlich gefestigt gewirkt. Entsprach dieses Bild dem Bild, das du selbst von dir hattest?
Alicia Keys: Teils, teils. Ich war immer schon das, was die Leute eine „alte Seele“ nennen. Ich habe das Gefühl, als hätte ich schon viele Male zuvor auf der Erde gelebt. Ich habe eine Art Weisheit in mir, zugleich aber hatte ich natürlich keinen Schimmer von irgendwas. Mir blieb erstmal nichts anderes übrig, als mich angstfrei irgendwie durchzumogeln. Vielleicht liebe ich es deshalb so sehr, Neues zu lernen und mich weiterzuentwickeln.
Ist es momentan, wo überall die zwischenmenschlichen Gräben tiefer zu werden scheinen, besonders wichtig, umarmende und positive Musik zu machen?
Alicia Keys: Ja. Das ist meine Mission. Ich habe genug von dem ganzen Bullshit, von all dem Negativen und Destruktiven. Es gibt zu viele Faktoren, die es uns schwer machen, uns gut zu fühlen. Ich persönlich will positive Energie, Licht und Wärme liefern. Ich glaube, davon brauchen wir gerade richtig viel.
Interview: Steffen Rüth für die März-Ausgabe des Applause Magazins
Tour-Update: Im Zuge der Veranstaltungsverbote in Zusammenhang mit COVID-19 und den damit zusammenhängenden behördlichen Maßnahmen wurden die für Sommer 2020 geplanten Deutschland-Termine um ein Jahr verschoben. Letzte Tickets für die fünf Alicia Keys Shows in Deutschland gibt es hier bei Ticketmaster. Sollte die Tour erneut verschoben werden, behalten die Tickets selbstverständlich ihre Gültigkeit für die neuen Termine.
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