Musicals & Shows
Interview
Altar Boyz: Musicalstar Michael Heller im Interview
Im Januar 2019 lief die Deutschland-Premiere des Off-Broadway Stücks "Altar Boyz" in Berlin höchsterfolgreich, nun kehrt das Stück 2020 zurück auf die Bühnen der Hauptstadt. Wir haben den Schauspieler, Regisseur und Choreographen Michael Heller vor der zweiten Spielzeit des Musicals in der Bar jeder Vernunft zum Gespräch getroffen.
Berlin ist um ein weiteres Musical-Highlight reicher. Nachdem das aus Amerika stammende Musical „Altar Boyz“ im Januar 2019 seine Deutschlandpremiere feierte, geht es im März und Juni mit zusätzlichen Vorstellungen weiter. Das Besondere: Das Off-Broadway-Stück wurde via Crowdfunding finanziert und von einem kleinen Team mit viel Liebe zum Detail (und zur Boyband-Faszination) auf die Bühne gebracht. Wir haben mit Regisseur und Choreograph Michael Heller, den man bereits aus großen Musicals, wie Tanz der Vampire kennt, über sein neues Stück in der Bar jeder Vernunft gesprochen.
Altar Boyz ist ein besonderes Musical, weil es vor allem durch Crowdfunding finanziert wurde. Wie kam es überhaupt dazu, dass du diese Idee hattest?
Michael Heller: Das Musical wurde im Rahmen eines gemeinnützigen Vereines, OFFstage Germany, von mir inszeniert. Wir haben den Verein 2007 gegründet, mit der Intention das Genre Off-Musical, das heißt kleinere Musicals, etwas was man auch am Off-Broadway sieht. In London und Amerika ist das schon gang und gäbe und so eine Kultur gibt es hier noch nicht. Wir wollen ein Bewusstsein in Deutschland schaffen und deswegen haben wir OFFstage Germany gegründet, wo ich künstlerischer Leiter und Vereinsvorsitzender bin.
Da wir ein gemeinnütziger Verein sind, sind wir allerdings auf Hilfe von außen angewiesen, auch die Darsteller und die Musiker. Wir alle machen das fast ehrenamtlich, sind alle Mitglieder im Verein und kriegen nur eine kleine Aufwandsentschädigung, keine richtige Gage. Wir machen das allerdings auch eher für die Sache, um solche Shows wie „Altar Boyz“ oder „Thrill me“ – unser erstes Projekt – auch auf den deutschen Markt zu bringen.
Über das Crowdfunding schaffen wir uns eine Grundsicherung, damit wir eine solche Produktion auf die Beine stellen können. Kostüme, Requisiten, Band, Musikinstrumente, Fahrtkosten für die Darsteller und eben auch für Werbung. Deswegen haben wir letztes Jahr, zum Start für dieses Projekt, Crowdfunding gemacht und sind total glücklich damit durchgekommen. Wir konnten 8.000 € damit erzielen und damit sicherstellen, dass alles bezahlt werden kann. Alle weiteren Einnahmen gehen den Verein zugute für weitere Projekte.
Die Grundlage von eurem neuen Musical Altar Boyz ist ein amerikanisches Stück vom Off-Broadway, was dort sehr lange und sehr erfolgreich lief.
Michael Heller: Genau. Ich habe es damals selbst gesehen. 2007 oder 2008 am Off-Broadway und habe gedacht: Wow, so eine Show kann man in Deutschland wahrscheinlich nie machen. Erst einmal sind die Rollen super schwer zu besetzen, weil man eine ganze Menge Talent mitbringen muss. Dazu kommt, dass viele Deutsche gar nicht an neuen Stücken interessiert sind, oft wollen die einfach etwas sehen was sie schon kennen.
Deswegen laufen manche Shows hier auch schon seit 20 Jahren und nicht wie am Broadway, wo die Shows dann auch immer wieder wechseln, weil die Zuschauer neuen Input wollen. Es hat hier jedoch direkt funktioniert, unser erster Lauf in der Bar der Vernunft im Januar war ein voller Erfolg.
Was sind die größten Unterschiede im Vergleich zur amerikanischen Vorlage?
Michael Heller: Wir haben natürlich eine deutsche Übersetzung anfertigen lassen. Die große Schwierigkeit war tatsächlich der Humor, weil die Show sehr doppeldeutig ist. Es geht um eine katholische Boy-Band, was ja schon ein wenig skurril ist. Da dann die ganzen Witze und Doppeldeutigkeiten passend ins Deutsche zu übersetzen, sodass sich das Ganze musikalisch reimt, war die größte Herausforderung.
Die Choreografien und der Bühnenaufbau sind anders als am Broadway, wir wollten immerhin die Show nicht eins zu eins kopieren, sondern unsere eigene Version davon inszenieren. Das ganze natürlich auch auf einer anderen Bühne, denn die Bar der Vernunft ist ein rundes Theater und die Bühne nicht besonders groß. Es ist generell alles enger, dadurch dass der Raum nicht nur bestuhlt ist, sondern überall Tische stehen.
Wir mussten alles ein wenig anpassen, aber das hat gut funktioniert. Wir laufen in der Show sogar durch die ganze Bar, also ist das ganze recht interaktiv. Das Publikum wird immer mit eingebunden, von Anfang an wirkt das ganze Stück wie ein Konzert. Es wird sogar ein Mädchen auf die Bühne geholt, die dann in typischer Boygroup-Manier, angeschmachtet wird.
Im März (Bar jeder Vernunft) und Anfang Juni (TIPI) bringen die Altar Boyz wieder das Berliner Publikum zum Kochen. (Foto: Barbara Braun)
Wie lange habt ihr am Stück gearbeitet?
Michael Heller: Das war ein wenig kompliziert, dadurch dass wir ein gemeinnütziger Verein sind und die Leute sozusagen umsonst arbeiten, mussten wir sehr stark puzzeln bei den Proben. Wir haben angefangen über Skype zu proben, weil die Darsteller im ganzen Land unterwegs sind – einer war sogar auf einem Schiff…
Die ganze Vorbereitungszeit zog sich über ein halbes Jahr hin. Am Ende haben wir alle zusammen zweieinhalb Wochen geprobt und die Show zusammengebaut. Es war also wirklich eine logistische Meisterleistung am Ende, bis jeder am Ende alles konnte, was er auf der Bühne können muss.
Du hast es bereits angesprochen, das Altar Boyz ist eher wie ein Konzert, nur eben mit Storyline. Aber in wieweit unterscheidet es sich von einem klassischen Musical?
Michael Heller: Es ist ein Konzert in Musicalform. Das Stück ist von Anfang an voller Action und es geht sofort los. Das Publikum hat direkt das Gefühl, wirklich auf einem Konzert zu sein, die Band fordert das Publikum heraus und meist steht das ganze Theater auf und ist am Party machen. Das ist total verrückt, wenn die Altar Boyz rauskommen, fängt das Publikum an zu jubeln, als wären sie eine echte Boy-Band.
Die Altar Boyz sind natürlich komplett überzeichnet, persiflieren den Boygroup-Kult und das macht das Ganze einfach lustig. Es gibt zwar eine Geschichte, aber es dreht sich mehr um die Band und ihre Probleme, die sie untereinander haben. Es geht um den letzten Stopp ihrer Welttournee, wo Dinge passieren, die nicht vorauszusehen waren. Jeder der Jungs hat seine ganz persönlichen Probleme und diese werden auch in den Liedern thematisiert. Am Ende wird das Stück immer freier, also das Konzert wandelt sich immer mehr in eine Show und erzählt eine packende Geschichte.
Boybands, Katholizismus und moderne Technik: Die Altar Boyz liefern nicht nur musikalisch eine stimmungsvolle Mischung auf der Bühne. (Foto: Barbara Braun)
Warst du auch ein großer Fan von einer Boy Band in den 90er Jahren?
Michael Heller: Ich fand *NSYNC ganz cool, die Backstreet Boy zwarauch, aber *NSYNC fand ich immer noch ein Stück besser. Die hatten immer den besseren Sound, damals gab es da auch diese Lager und zwischen denen gab es immer Fight. Take That war nicht so mein Ding, aber vielleicht war ich da noch ein wenig zu jung. Damals wollte ich auch immer in eine Boy Band, das wäre mein Ding gewesen. Mit 30 kommt man leider in keine Boy Band mehr, außer in einem Musical.
Also sieht man dich auch selbst als Altar Boy?
Michael Heller: Ich bin der Joker sozusagen. Also falls einer von den Darstellern krank wird, springe ich ein. Ich habe alle Partien und Choreografien ausgedacht und mitgelernt. Im Juni im Tipi am Kanzleramt werde ich aber als Darsteller auf der Bühne stehen.
Und wie hast du die Besetzung gefunden? Sind das alles Freunde oder Bekannte von dir?
Die Darsteller sind alles Kollegen und Freunde von mir. Man muss alle drei Sparten gut beherrschen, das heißt man muss gut Singen, Tanzen und Schauspielen können. Es geht schließlich um eine Boy Band, die müssen alle gut performen können. Dazu kommt, dass sie anspruchsvolle Harmonien singen müssen – alles hier ist fünfstimmig arrangiert. Es ist musikalisch kompliziert und natürlich müssen die Darsteller auch schauspielerisches Talent mitbringen.
Das heißt wir mussten nach guten Crossover Leuten gucken. Ich habe tatsächlich alle begeistern können, die ich ganz oben auf meiner Listen für die Rollen hatte.
Michael Heller hat selbst viel Erfahrung im Musicalbereich. Mit dem neuen Musical Altar Boyz präsentiert er eine humorvolle Hommage an die Boybands der 90er.
Wie bist du denn eigentlich zum Musical gekommen?
Michael Heller: Ich habe mich schon immer für Sachen auf der Bühne interessiert, habe aber damals aus der tänzerischen und turnerischen Sicht begonnen. Damals war ich Kunstturner und habe Road Skipping – also Seilspringen – gemacht und bin sogar Europameister geworden. Damit bin ich durch die Welt getourt und wäre damals fast beim Cirque du Soleil gelandet. Allerdings habe ich zu dem Zeitpunkt gerade mein Musical-Studium in Essen begonnen und musste mich dann entscheiden.
Ich habe mich dann gegen die Akrobatik entschieden, weil man da einfach nicht so lange Zeit im Geschäft sein kann. Der Körper macht das irgendwann einfach nicht mehr mit. Außerdem hatte ich schon immer eine Liebe zu Musik, Tanz und Schauspiel und es gibt kein besseres Genre als das Musical, wo ich das alles verbinden kann. Nach der Entscheidung, die akrobatische Karriere zu beenden, habe ich eine vierjährige Ausbildung zum Musical-Darsteller gemacht und war von da an immer mal wieder im ganzen deutschsprachigen Raum auf der Bühne.
Du hast schon viele große Rollen gespielt. Gibt es dennoch eine Rolle, die du unbedingt spielen möchtest?
Michael Heller: Das ist immer eine schwierige Frage. Ich habe mittlerweile schon so viele Rollen gespielt, die ich unbedingt spielen wollte. Zum Beispiel auch den Alfred in Tanz der Vampire oder in den großen Disco-Musicals, wie Grease oder Saturday Night Fever. Die meisten Rollen, die ich spielen wollte, habe ich schon abgehakt. Eine fehlt aber tatsächlich noch: Die Hauptrolle im Musical Jersey Boys. Also wenn das irgendwann nach Deutschland kommt, bin ich auf jeden Fall ganz vorne mit dabei.
Nach der zweiten Spielzeit in der Bar jeder Vernunft geht es im Juni auf die große Bühne im Tipi am Kanzleramt – wie geht es weiter mit eurem Verein und Altar Boyz?
Michael Heller: Erstmal sind wir sehr glücklich in Berlin die Bar der Vernunft und das Tipi am Kanzleramt überzeugen zu können. Für alle war es zuerst natürlich ein Risiko, eine No-Name Gruppe reinzuholen, aber bei der Premiere waren alle begeistert – selten hätten man das Publikum in der Bar jeder Vernunft so viel und aktiv auf den Beinen gesehen.
Danach kam die Idee mit dem Tipi am Kanzleramt und wenn wir da im Juni die Ränge füllen und die Leistung erbringen, geht es dort bestimmt noch weiter mit einigen Vorstellungen. Weiterhin sind wir natürlich auch auf dem Kurs ein neues Stück zu erarbeiten, was wir dann 2020 rausbringen können. Allerdings gibt es noch keine offizielle Angabe was als nächstes kommt.
Altar Boyz in Berlin
- TIPI am Kanzleramt: 07.02. – 08.02.2020