Musik

Interview

MEUTE Bandleader Thomas Burhorn im Interview

Die selbsternannte Hamburger „Techno Marching Band“ MEUTE sorgt seit 2016 für Wirbel auf den Live-Bühnen der Welt. Wir haben mit Bandgründer und Trompeter Thomas Burhorn über sein ungewöhnliches, aber sehr erfolgreiches Musik-Projekt gesprochen.

MEUTE Tickets für 2022 sichern

Die Geschichte von MEUTE begann vor drei Jahren als Experiment mit einem Video auf YouTube: Ein gut gelaunter elf-köpfiger Tross in roten Kostümen spielt mitten auf der Straße den Deep-House-Track „Rej“ vom Produzenten-Duo Âme – lediglich mit Bläsern, Trommeln, Becken und Co. Seitdem ist das Hamburger Musikprojekt MEUTE scheinbar nicht mehr zu stoppen.

Die große Tour „EUROPA 2019“ im Frühjahr quer über den Kontinent war größtenteils restlos ausverkauft. Im Sommer und Herbst 2022 stehen die nächsten MEUTE Konzerte europaweit an – diesmal in noch größeren Venues. Wir haben mit Bandgründer und Trompeter Thomas Burhorn über seine ungewöhnliche Idee und den eigentlich gar nicht so ungewöhnlichen Erfolg seiner Meute gesprochen.

MEUTE haben sich ziemlich schnell einen hervorragenden Ruf als Liveband erspielt. Ihr habt inzwischen zahlreiche ausverkaufte Konzerte hinter euch und wahrscheinlich auch noch vor euch, bald sogar in den USA. Wie fühlt sich an, in einer Band zu sein, die so sehr für ihre Shows gefeiert wird?

Thomas Burhorn: Das ist toll, weil man da eine Energie spürt, wenn alle tanzen und dich anlächeln. Mit so vielen Leuten in einem Raum passiert etwas auf einer spirituellen Ebene. Sonst würden ja auch nicht so viele Leute zu Konzerten gehen. Da passiert irgendetwas, das man nicht so richtig erklären kann. Und wenn man selbst seinen Beitrag leistet, dass diese euphorische, fröhliche Stimmung entsteht, wo alle eigentlich nur noch miteinander tanzen und sich umarmen wollen, dann fühlt sich das schön an – vor allem, wenn das über jegliche Ländergrenzen hinaus funktioniert.

Man vergisst bei diesen Shows immer schnell, dass eure Idee ja erstmal ziemlich irre klingt: Wie kommt man denn eigentlich drauf, Techno mit einer Blaskapelle umzusetzen?

Thomas Burhorn: Man ist ja als Künstler immer auf der Suche nach den neuen Dingen, die es einerseits noch nicht gibt, die anderseits aber Spaß machen und dich selbst interessieren. Das ist eigentlich für mich der ausschlaggebende Punkt gewesen: Elektronische Musik fand ich immer enorm spannend. Was mir manchmal aber fehlte, war, dass du bei einem DJ nicht so genau nachvollziehen kannst, was der da eigentlich macht an seinem Pult. Also dachte ich: Wenn das Ganze jetzt mal so richtig in echt passieren würde, wenn man auch wirklich sieht, wie der Beat geschlagen wird, wie sich der Arm immer und immer wieder hebt … Wie beeindruckend das sein müsste!

Und wann war dann der Moment, an dem du dann dachtest: „Da mach ich jetzt ne Band draus!“?

Thomas Burhorn: Ich hab mich immer gefragt: „Warum macht das eigentlich noch keiner?“ Und irgendwann war ich an dem Punkt, an dem ich dachte, ich würde mich ärgern, wenn jemand anderes die Idee vor mir umsetzt. Also hab ich meine Bekannten gefragt, die solche Instrumente spielen, ob sie Lust hätten, das mal mit mir auszuprobieren – als kleines Experiment.

„Es gibt schon jetzt Material für die nächsten 30 Jahre“

MEUTE Band live 2020

Mit kleinen Guerilla-Gigs im Park oder auf der Straße ist die 11-köpfige Hamburger Truppe bekannt geworden (Foto: Steffi Rettinger)

War es denn schwierig, alle Positionen mit Profi-Musikern zu besetzen, die sich auch selbst für Techno und diese Idee begeistern?

Thomas Burhorn: Die Leute, die bei uns in der Band spielen, sind allesamt offen für jegliche Musikstile und kommen ebenso aus der Klassik wie aus Jazz, Pop, Hip-Hop oder sonst was. Sie haben einfach Lust auf alles, was interessant ist, egal ob Beatles, Frank Zappa oder eben elektronische Musik. Es ist schon wichtig, Leute mit einem offenen Horizont zu haben. Da ist jetzt keiner dabei, der grundsätzlich vor irgendwas zurückschreckt. Wir hätten auch alle Bock in einer Country-Band Musik zu machen, wenn das irgendwie toll ist. Es geht gar nicht um Techno oder Nicht-Techno…

Worum denn dann?

Thomas Burhorn: Darum, eine Tiefe zu erleben in der Musik – egal in welchem Stil sie gespielt wird. Wir haben nun eben unsere Kerbe gefunden, in der es auch um den hypnotischen Moment und das Tanzen geht. Aber es geht nicht um die Frage des Stils, es geht vielmehr um die Frage: Ist es gut oder ist es nicht gut?

Das heißt, du kannst dir auch vorstellen, dass ihr auch andere Genres neu interpretiert?

Thomas Burhorn: Alles was wir uns vorstellen können, ist prinzipiell möglich. Andererseits ist es auch toll, sich in so einem engen Rahmen zu bewegen, wie wir es gerade mit Meute tun. Das ist ja ein Paradoxon in der Kunst: Je strenger man sich die Spielregeln setzt, desto mehr kann einen das kreativ beflügeln, weil man gezwungen ist, sich innerhalb dieses engen Rahmens etwas Neues auszudenken und dabei gleichzeitig zum Spezialisten wird. Aber wir haben im Bereich der elektronischen Musik ja auch noch Möglichkeiten ohne Ende. Das ist das Schöne: Es gibt in Notizen schon jetzt Material, das für die nächsten 30 Jahre reichen dürfte.

Es gibt ein Zitat, dass man häufiger von dir liest: „Wir wollen elektronische Musik zurück zu ihren Wurzeln bringen“. Was genau meinst du damit?

Thomas Burhorn: Also, erstmal: Wir wollen sie gar nicht zu ihren Wurzeln zurückbringen, ich glaube vielmehr, dass wir es einfach tun. Damit meine ich: Jede Kunstform, jede Musikrichtung, jede Komposition stammt ja immer von irgendetwas ab, hat immer seine Geschichte. Techno-Musik baut ja auch auf etwas anderem auf. Da haben sich Leute eben elektronische Geräte genommen, um Tanzmusik zu machen, die wiederum gar nicht so weit von den Rhythmen eines James Brown entfernt ist, der ja auch viel mit repetitiven Elementen gearbeitet hat. James Brown wiederum stammt von einer R’n’B-Tradition ab und die hat dann wiederum ihren Wurzeln in den New Orleans Marching Bands – die eben genau so eine Besetzung wie wir hatten. Und das stammt dann auch wieder von europäischer Marschmusik ab, aber auch von afrikanischer Musik. Und ganz am Ende dieser Linie trifft sich alles irgendwo im Wald, wo ums Feuer getanzt und getrommelt wird.

„Wir suchen nach der Essenz der elektronischen Musik“

MEUTE 2020 Deutschland

Der Bass vibriert, das Konfetti flimmert und die rotblauen Uniformen glitzern im Strobo. Live sind MEUTE eine Wucht! (Foto: Jennifer Schmid)

Auf eurem Debütalbum „Tumult“ habt ihr ziemliche Geschmackssicherheit bei der Auswahl der Songs für eure Coverversionen bewiesen. Wie entscheidet ihr euch denn für einen Song?

Thomas Burhorn: Das ist schon viel Bauchgefühl bei und die Auswahl ist auch Teil des Experiments. Wir suchen nach der Essenz der elektronischen Musik, abseits der Tatsache, dass elektronische Instrumente verwendet werden. Techno bzw. elektronische Musik hat meiner Meinung nach zwei Merkmale: Das eine sind natürlich die elektronischen Instrumente, das andere ist eine ganz bestimmte Art, Stücke zu komponieren. Und wir versuchen eben diese Stücke zu finden, die diesen elektronischen Musikcharakter so essentiell in sich tragen, dass sie noch immer nach Techno klingen, selbst wenn wir sie als Spielmannszug spielen.

Gibt’s da einen Song, an der ihr euch noch nicht rangetraut habt?

Thomas Burhorn (lacht): Das würde ich natürlich jetzt nicht zugeben.

Dann andersrum: Gibt’s einen Song, bei dem du besonders stolz bist, dass du es geschafft hast, ihn zu knacken?

Thomas Burhorn: Ja, da sind wir wieder bei dem Thema Experiment: Alles hat ja gestartet mit „Rej“ von Âme. Das ist auch ein besonders schönes Beispiel für so ein Stück, das den elektronischen Musikcharakter nicht nur in der Instrumentierung, sondern in auch in der Komposition in sich trägt – und dann ist es auch gar nicht so leicht zu spielen, wenn es neu für einen ist, weil die Teile da schon abstrakt angeordnet sind. Das hat uns dann schon stolz gemacht, das so gut zu treffen.

Wenn du einen Song ausgewählt hast, zerlegst du ihn in seine Einzelteile und schreibst die Noten für alle Band-Mitglieder. Wie ordnest du die Instrumente dabei zu?

Thomas Burhorn: Das ist so, als ob man ein Foto nimmt und es abmalt. Da kann man sich auch überlegen: „Nehm ich jetzt diesen Pinsel oder einen anderen? Nehm ich diese Farbe oder eine andere?“ Man hat oft verschiedene Möglichkeiten. Manchmal ist es klar: Der Bass ist eher das Sousaphon, die Bassdrum ist eben die Bassdrum, also die große Trommel. Aber manchmal gibt es dann eben Freiheiten und ich überlege mir: „Ach, dann nehme ich jetzt dafür mal das Saxophon… oder doch die Trompete?“ Das ist dann so eine Entscheidung nach Gusto, die man am nächsten Tag vielleicht auch andersrum machen würde.

Die Art, wie ihr ja jetzt spielt, ist ja im Vergleich zu anderen Genres eher repetitiv und minimalistisch. Ihr seid allerdings alle super ausgebildete Musiker aus verschiedenen Bereichen – unterfordert euch das nicht auf Dauer?

Thomas Burhorn: Es ist eher das Gegenteil: Es ist dadurch ja nicht einfach. Wir haben mit jeder Note die Herausforderung, sie intonationsmäßig möglichst genau zu spielen und da so viel Energie reinzubringen, wie es nur geht – mit möglichst wenig Aufwand, damit wir das überhaupt eineinhalb Stunden live durchhalten. Das ist ein wahnsinnig schöner und auch meditativer Vorgang, der immer wieder herausfordernd ist, weil es immer noch besser und genauer sein kann. Das langweilt einen überhaupt nicht. Das merken wir auch live: Mal ist dieses Stück besser, mal jenes. Das perfekte Konzert gab‘s eigentlich noch gar nicht.

Hast du denn eigentlich ein Gefühl dafür, wer am Ende euer Publikum auf den Konzerten ist? Sind das die Techno-Heads oder doch eher die Volksfest-Gänger?

Thomas Burhorn: Unser Publikum ist bunt gemischt. Sie vereint aber alle irgendwie so ein bestimmtes Verständnis für Musik, eine Liebe zum Live-Konzert und einfach auch die Liebe zum gemeinsamen Fröhlichsein.

Und zum Abschluss noch was ganz anderes: Man liest über euch oft, ihr hättet „von Tuten und Blasen eine Ahnung“, „posaunt eure Meinung raus“ und spielt „mit Pauken und Trompeten“. Welches Wortspiel kannst du langsam absolut nicht mehr hören?

Thomas Burhorn (lacht): Alle drei.