Musicals & Shows

Roncalli: Revolution trifft Poesie

Roncalli’s Bernhard Paul: Schon mit fünf Jahren wollte der gebürtige Österreicher zum Zirkus, über einige „nötige Umwege“ wurde er dann zum bekanntesten Zirkusdirektor Deutschlands. Bernhard Paul besitzt aber auch eine große Vorliebe für die Beatles und eine der größten Sammlungen von „Fab Four“-Devotionalien. „Es ist immer etwas zu tun“, bilanziert der unermüdliche Macher. 

Interview: Jörg Staude

Herr Paul, wie schaffen Sie es, mit zwei Vorstellungen, „Time Is Honey“ und „Salto Vitale“, gleichzeitig auf Tour zu gehen?

Cirque du Soleil ist mit sogar 22 Programmen unterwegs! Wir haben mehrere Garnituren und sind seit Jahren auch mit der „Höhner Rock’n’Roncalli Show“ unterwegs, also war die dritte Show jetzt nicht das Problem. Wir haben nur Top-Material bauen lassen und alles doppelt, sogar dreifach eigentlich. Dieses Material ist identisch, alles alte Wagen, alle top restauriert. Und ich konnte einfach nie widerstehen, alte Wagen zu kaufen. Meine Leidenschaft ist nun mal unter anderem das Sammeln von alten Zirkuswagen. Dann waren eines Tages so viele übrig, warum stehen die alle nur rum? Also haben wir sie wieder eingesetzt. Wir haben ein tolles neues Zelt nach alten Plänen in dreifacher Ausfertigung gebaut, das innen aussieht wie die Mailänder Scala, in Rot und Gold und Samt. Ich bin  über Jahre unterwegs gewesen und habe natürlich viele Frösche geküsst, damit wir immer bessere Nummern und Kostüme einbringen konnten. Diese Nummern werden mit der Zeit immer toller, aber die Medien wollen immer wieder Neues,. also müssen wir nach circa drei Jahren diese verbesserten Nummern, die uns menschlich ans Herz gewachsen sind, austauschen. Aus diesem Füllhorn an Aufführungen können wir jetzt schöpfen, wir haben alle Künstler wieder eingesammelt und setzen sie erneut ein, als eine Art „Best Of“ sozusagen. Da Roncalli immer umfangreicher und damit schwerer zu transportieren ist und das nur per Sonderzug der Bahn, haben wir geträumt von einem schlanken, schnellen Zirkus, der auf der Schiene transportiert wird. Dann können wir auch nur zehn Tage gastieren und in Städten, die wir bisher nicht ansteuerne konnten, ist es nur rentabel, wenn wir mindestens dreieinhalb Wochen gastieren. Ich gebe schon einmal 500.000 Euro aus, bevor ich überhaupt einen Euro eingenommen habe.

Warum bevorzugen Sie den Transport mit der Bahn? Sie sind damit der letzte Ihrer Art.

Bevor das Auto erfunden wurde, reiste der Zirkus mit der Bahn. Immer schon. Ich kenne das noch aus meiner Kindheit. Ich bin immer zum Bahnhof gegangen, um beim Ausladen zuzuschauen. Das war immer wie ein Märchen-Zug, denn es kamen Elefanten, Giraffen und bunte Menschen heraus. Der Zirkuszug besitzt eine unglaubliche Faszination für mich! Das ist mir immer in Erinnerung geblieben. Außerdem ist es umweltfreundlich. Das Ganze ist aber nicht von heute auf morgen zum Problem geworden, sondern über viele Jahre. Die Bahn spart ein, reißt Rampen ab. In Düsseldorf zum Beispiel müssen wir in Neuss entladen, weil keine Rampe mehr existiert. Die Bahn hatte einmal den Slogan „Weg von der Straße zur Schiene“, aber den haben sie umgekehrt. Die Bahn verjagt einen von der Schiene. Es geht nach wie vor, aber es ist schwierig. Es gibt dennoch jede Menge Städte mit viel Publikum. Die haben wir uns jetzt mit „Salto Vitale“ vorgenommen, mit einem schnellen, schlanken Zirkus.

Und Sie gastieren in Städten, in denen Roncalli noch nie aufgetreten ist. Ist das Publikum in der Provinz dankbarer als in der Großstadt?

Wir waren gerade 18 Tage in Mönchengladbach, mit über 30.000 Zuschauern. Das ist so schlecht nicht. Im Prinzip gibt es zwischen den Mittel- und den Großstädten auslastungsmäßig keinen Unterschied. Natürlich kann man in einer Stadt mit zwei Millionen Einwohnern länger spielen als in einer mit 250.000. Jetzt kommen wir in die Städte, in denen wir noch nicht waren, wo uns die Leute aber kennen.

Woran liegt das, dass fast jeder schon vom Zirkus Roncalli gehört hat? Was haben Sie anders und besser gemacht als alle anderen?

Gute Arbeit abgeliefert! Zirkus muss man mit Liebe und Herzblut machen. Wenn ich sehe, was die anderen so machen… Selbst ich als glühender Fan war schon viele Jahre nicht mehr in einem anderen Zirkus, da bekomme ich Depressionen. Die guten wie Althoff, Barum oder Sarrasani sind auch alle weg.

Stört es Sie eigentlich, dass Sie  im Gegensatz zum Namen Roncalli – unbekannter sind, obwohl Sie doch der Macher sind?

Ich habe immer den Zirkus Roncalli in die Öffentlichkeit gebracht, ich nehme mich nicht so wichtig.

Kurz zu Ihrer Vita: Haben Sie damals ernsthaft erwogen, ins Baugewerbe einzusteigen?

Das lag auf der Hand, weil ich einen kinderlosen Onkel mit einem Baugeschäft hatte und meine Mutter meinte, ich solle etwas Anständiges lernen. Aber das habe ich schnell nach dem Studium aufgegeben.

Woran merkt man, dass man stattdessen lieber Graphiker werden möchte?

Mein Zeichenprofessor hat mich dazu gebracht. Ich war sein Assistent und habe mit ihm die Zeichnungen der anderen Studenten verbessert. Er hat mich zum Graphikstudium nach Wien geschickt. Dieser nötige Umweg war wichtig für meine Entwicklung und meinen Werdegang. Denn Zirkus hat viel mit Optik zu tun.

Was hat schließlich den Ausschlag für den Zirkus gegeben?

Mein erster Zirkusbesuch im Alter von fünf Jahren. Da habe ich es gewusst. Es gab natürlich Zeiten, als die Rolling Stones enge Hosen trugen und die Jongleure immer noch Glockenhosen, da habe ich gezweifelt. Und die Artisten sahen in dieser Zeit aus wie aus dem Eroscenter entsprungen! Der gute Geschmack war im Zirkus noch nicht angekommen. Aber das war meine Rock’n’Roll-Zeit, in der ich mich ein wenig entfernt hatte. Als es dann den guten, alten Zirkus nicht mehr gab, habe ich selber einen gemacht, wie er mir gefällt. Und siehe da, er gefällt auch vielen anderen.

Roncalli Sergej Maslennikov

Roncalli: Sergej Maslennikov

Welches Ihrer vielen Nebenprojekte, Sie erwähnten schon die Kooperation mit den Höhnern, gefällt Ihnen am meisten?   

Wen mögen Sie lieber, Ihre Kinder oder Ihre Enkel? Roncalli ist mein Kind, die anderen Produktionen sind meine Enkel.

Sie sind ein großer Beatles-Fan. Wie kam es dazu?

Das war meine Jugend. Es gibt eine Ausstellung meiner Sammlung, die zuletzt im Europapark in Rust in Baden-Württemberg zu sehen war. Sie ist jetzt auf Deutschlandtour. Viele der damaligen Musiker kamen aus der Kunstszene: John Lennon und Klaus Voormann zum Beispiel. Als ich in Wien Graphik studierte, hatten wir auch mehrere Bands. In einer sang zum Beispiel Lukas Resetarits, heute einer der bekanntesten Kabarettisten Österreichs und in Deutschland durch die Serie „Kottan ermittelt“ bekannt geworden. Durch diese musikalische Sozialisation habe ich später eine Menge Leute aus der Musikszene kennengelernt: Graham Nash, Sting, Pete Best, den Original-Schlagzeuger der Beatles oder Klaus Voormann. Von all diesen habe ich eine riesige Sammlung an Exponaten: von Rolling Stones-Gitarrist Keith Richards zum Beispiel die Akustikgitarre, auf der „Angie“ komponiert wurde.

Also stellte sich für Sie die entscheidende Frage Stones oder Beatles doch?

Nein. Die waren beide für sich gut, aber die Beatles waren kompositorisch besser.

Haben Sie jemals einen der Beatles persönlich kennengelernt?

Pete Best, der erste Beatles-Drummer, und Klaus Voormann waren ja eigentlich nahe dran. Ich war auch immer nahe dran. Zum Beispiel hatte ich einmal die Möglichkeit, Paul McCartney zu treffen. Mein Freund Klaus Voormann wollte ihn nach einem Konzert in Köln zu mir bringen, aber leider hatte ich blöderweise an diesem Tag einen unaufschiebbaren wichtigen Termin. Aber diese persönlichen Begegnungen mit den ganz Großen sind mir nicht so wichtig. Oft ist die zweite Reihe viel interessanter.

Roncalli Termine 2014

28.08. – 07.09.2014 Gütersloh Marktplatz
11.09. – 21.09.2014 Göttingen Schützenplatz
25.09. – 05.10.2014 Paderborn Festplatz, Schloss Neuhaus
09.10. – 19.10.2014 Celle Trift
20.11. – 30.11.2014 Hildesheim Volksfestplatz
04.12. – 14.12.2014 Hameln Bürgergarten

Ticket’s für Roncalli gibt es auf Ticketmaster.de!