Musik

Konzertnervbirnen #12: Der Typ (und seine Jungs)

Wir lieben Konzerte und verbringen unsere Abende gerne in der Gesellschaft Gleichgesinnter vor einer Bühne. Aber wir wollen euch in unserem Heft auch nicht nur in Euphorie und Watte kuscheln. Deshalb gehen wir mit dieser Kolumne dahin, wo es wehtut – und stellen uns direkt neben die schlimmen Menschen, die einem auch das beste Konzert versauen können. In der zwölften Folge nimmt sich Musikjournalistin Julia Brummert jemanden vor, den ihr bestimmt auch schon mal getroffen habt: den Typ. Und er hat natürlich seine Jungs dabei. Illustration: Alexandra Ruppert

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Heute ist sein Abend. Der Typ will mit seinen Jungs endlich mal wieder einen drauf machen. Schon seit Monaten freuen sie sich auf Hot Water Music, Turbostaat, Dropkick Murphys, Donots… Punkrock in irgendeiner Spielart. An der Theke reden sie über das letzte Broilers-Konzert – „saugeil!“ – und beschweren sich über die Biersorte, die sie hier kaufen können.

Bevor es losgeht schieben sich der Typ und seine Jungs nach vorne. In ihren Händen tragen sie 16 Biere, damit sie nicht so oft raus müssen. Trotzdem gehen sie im Viertelstundentakt raus, um 16 neue Biere zu holen – die Becher sind schnell leer, wenn man damit rumwedelt. Sie wühlen sich immer weiter vor. Dabei schauen sie weder nach vorn noch zur Seite. Sie sagen auch nicht „Entschuldige bitte“, wenn sie Menschen aus dem Weg drücken. Der Typ oder mindestens einer seiner Jungs ist ziemlich groß und hat das kurz mal vergessen. „Mach dich mal locker“ lacht er, wenn man ihn bittet, vielleicht mit Kleineren den Platz zu tauschen. Und bleibt stehen.

Konzert Typen nervig

Dann beginnt die Hauptband, natürlich, mit einem ihrer größten Hits. Der Typ und seine Jungs springen, wedeln mit den Armen, werfen ihre Becher in die Luft. „SAUGEIL, EY!“ Tanzt man nicht in ihrem Takt oder bittet sie gar, etwas vorsichtiger zu sein, erklären sie: „WARSTE NOCH NIE BEI EINEM KONZERT, ODER WAS?“ Und schubsen weiter. „Endlich wieder Pogo tanzen, hahaha“, brüllen sie.

Dass ein Moshpit auch solidarisch funktionieren kann, haben sie vergessen. Oder noch nie verstanden. Da kann die Band vorne auf der Bühne noch so oft sagen: „Passt auf euch auf“. Der Typ und seine Jungs haben diesen Laden heute für sich gepachtet. Sie sind die Alleinherrscher über die ersten fünf Meter vor der Bühne. Bei den ruhigeren Songs unterhalten sie sich darüber, wie saugeil alles ist, also gerade nicht, weil ist ja einer der öderen Songs – und zünden sich eine Zigarette an. Da kommen neue 16 Biere und der nächste Hit – „saugeil!“ Es ist ihr Abend, verdammt noch mal. Einer zieht sein Shirt aus und kreiselt sich durch die Menge. „Saugeil!“ brüllt er. Ja, saugeil. Für euch, Jungs. Und nur für euch.


Alle Folgen der Kolumne „Konzertnervbirnen“ findet ihr hier.