Musik

Spot on: Hozier

Anfang März hat der irische Singer-Songwriter sein zweites Album "Wasteland, Baby!" herausgebracht und ist direkt auf die Nummer 1 der amerikanischen Albumcharts gestürmt. Höchste Zeit, sich näher mit dem nachdenklichen Iren zu beschäftigen. Mitte Februar haben wir Hozier in Berlin getroffen.

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In unserer neuen Reihe „Spot on“ stellen wir die aktuell spannendsten Live-Acts ins Scheinwerferlicht. 

Hozier befindet sich ohne Frage gerade auf einem absoluten Karrierehoch. Der 28-jährige Folkrocker, Songschreiber und Sänger Hozier, der mit vollen Namen Andrew Hozier-Byrne heißt, stürmt mit seinem zweiten Album „Wasteland, Baby!“ die Charts auf der ganzen Welt. Spätestens 2019 ist klar, dass Hozier, der 2014 mit seinem Song „Take Me To Church“ schlagartig berühmt wurde, kein One-Hit-Wonder ist. Applause-Autor Daniel Koch hat den sympathischen und bodenständigen Iren Mitte Februar am Rande eines Fan-Events zum neuen Album getroffen.


„Meine irische Tour-Crew drückt mir einen Spruch rein, wenn ich mal abgehoben erscheine“

Ein Fernsehstudio in Berlin im Februar 2019. Hozier hat gut 70 Fans zu einem Meet & Greet eingeladen und lässt sein neues Album „Wasteland, Baby“ abspielen. Davor und danach
gibt er Interviews, mal auf der Bühne, mal im Backstage. Im Anschluss posiert er freundlich und geduldig so lange, bis jeder und jede seiner Fans ein Foto mit ihm machen konnte. Wer den groß gewachsenen Mann dabei beobachtet, sieht wie sein stiller Charme langsam die Erschöpfung des langen Tages verdrängt und merkt, wie sehr er sich freut, wenn man im Interview wirklich tief in seine Kunst eintaucht, dann vergisst man schnell, dass der Typ eigentlich schon ein Superstar ist.

Die Debüt-EP und Single „Take Me To Church“ wurde 2013 immerhin aus dem Stand ein Welthit, liegt allein bei Spotify nicht weit von Hirn sprengenden eine Milliarde Plays entfernt. Und jeder, der die bluesige, von einer Chorjugend und von irischer Publuft geformte Stimme Hoziers einmal live gehört hat, wird ihm ein Ausnahmetalent attestieren. Wie man dabei auf dem Teppich bleibt? „Sich selbst nicht so wichtig nehmen. Meine irische Tour-Crew ist da entscheidender Faktor. Die kennen mich teilweise sehr lange und drücken mir schon einen Spruch rein, wenn ich mal abgehoben erscheine“, sagt er und lacht. Was schon mal passieren könne, da man manchmal in Abende oder Gesellschaften gerät, „wo man dermaßen hofiert wird – um es nett zu sagen – dass man sich davon schon mal einlullen lassen kann.“

HOZIER - Take Me To Church | T in the Park 2015

Um an neuer Musik zu arbeiten, war es deshalb wichtig, all das mal hinter sich zu lassen. Hozier suchte die Nähe seiner Heimat, seiner Familie und lebte eine Weile im beschaulichen irischen County Wicklow. „Hier konnte das Karriererauschen und all den Glitzerkram ausblenden und für mich die wichtigste Frage klären: Was will ich musikalisch noch erreichen?“ Und das ist dann doch offenbar eine Menge, denn „Wasteland, Baby!“ – „nur echt mit Komma und Ausrufezeichen“ wie Hozier lächelnd anmerkt – ist ein ziemlich ambitionierter Brocken, was hier ausdrücklich positiv gemeint ist.

„Als kleiner Junge habe ich mich in den Blues verliebt.“

Hozier orientiert sich an den ganz großen Songwritern, namedropped schon im ersten Song „Nina Cried Power“ Nina Simone, John Lennon, Billie Holiday, Patti Smith und Curtis Mayfield und hat für „Almost (Sweet Music)“ sogar ein liebevolles Nerdbingo aus Songzitaten gebaut, das zusammen eine Hommage an die Kraft der Musik ergibt.

„Es fällt schon auf, dass ich auf so was stehe, oder? Ich will damit aber nicht mit meiner Plattensammlung protzen, ich mochte es einfach immer schon, wenn Musik selbstreferenziell
wird. Als Junge habe ich mich in den Blues verliebt und gemerkt, wie wichtig das dort ist. Es gibt diesen Song von Arthur Conley, ‚Sweet Soul Music‘, in dem er in jeder Strophe einen Künstler ins Licht setzt – ‚Spotlight on James Brown y’all!‘ singt er zum Beispiel – und das hat mich total begeistert.“

Hozier - Nina Cried Power (Live From Dublin Academy)

Im Gespräch windet sich Hozier, wenn man ihn einen politischen Künstler nennt, er will nicht predigen oder sich und seine Meinungen über andere stellen – aber er glaubt noch an die Kraft der Musik, daran dass ein starker Song Menschen verbinden kann: „It‘s not the song, it is the singin‘“, heißt es in „Nina Cried Power“ und in „To Noise Making“: „Remember when you‘d sing, just for the fuck of it / Any joy it would bring“. Ist also egal, wenn man scheiße singt, Hauptsache man tut es.

Hozier Songs sind nun mitnichten scheppernde Protesthymnen, man kann sie ob seiner angenehmen Stimme und der sehr guten Produktion, auch toll beim Putzen oder Autofahren hören, aber wer sich auf die Textebene einlässt, merkt, was Hozier umtreibt: eine tiefe Sorge um die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre. „Die Songs haben eigentlich alle eine Art Schwermut und dieses Grundgefühl, dass uns das schlimmste noch bevorsteht. Denn so geht es mir, wenn ich die Nachrichten lese – und das tue ich täglich. Meine Musik ist mehr und mehr der Versuch geworden, in dieser tristen Situation einen Funken Freude zu finden – und vielleicht in anderen zu entfachen.“

„Ich male mir gerne die schlimmstmögliche Version einer Sache aus. Das inspiriert mich.“

Das hat manchmal gar einen sehr düsteren, sehr irischen Humor, wenn Hozier in „No Plan“ zum Beispiel über die Liebe in Zeiten des drohenden Weltuntergangs singt und erklärt: „Ich male mir gerne die schlimmstmögliche Version einer Sache aus. Das inspiriert mich. Ich habe – gerade in der Zeit, als mich die Nachrichten mehr und mehr aufregten – oft Vorträge und TED-Talks bei YouTube geschaut, wo es um das Ende des Universums geht. Ich bin Fan der Astrophysikerin Katherine J. Mack, die sich genau damit befasst und in ihrem neuen Buch tatsächlich die möglichen Tode unseres Universums erklärt. Es könnte sich zum Beispiel verdunkeln, oder gar verbrennen. Gemessen daran, sind doch unsere Sorgen recht klein, findest du nicht? Dieser Gedanke baut mich auf.“

Optimismus „made in Ireland“ eben. „Wenn die Welt schon untergeht, dann sieh wenigstens zu, dass du an den letzten Tagen in guter Gesellschaft bist und es krachen lässt“, meint er und fragt, wie man das wohl in eine deutsche Metapher übersetzen könnte. Der Vorschlag „lachend in die Kreissäge laufen“ wird mit einem vergleichsweise lauten Lachen des eher leisen Sprechers Hozier quittiert.

Hozier - No Plan (Audio)

Später, bei einem Talk vor seinen Fans, zeigt sich dann aber doch noch die ganz konkrete politische Seite des Andrew Hozier-Byrne. Eine junge Frau fragt, warum immer wieder auch Bibel-
Referenzen in seinen Songs auftauchen – und Hozier, der schon mit „Take Me To Church“ die moralischen Verfehlungen der Kirche ins Visier nahm, erzählt sehr leise, aber sehr bestimmt, wie sehr es ihn aufregt, dass – vor allem die katholische Kirche – Regeln darüber aufstellt, wie man Gott zu lieben hat, und selbst nicht mal nach moralische Regeln agiert.

Deshalb habe er auch bei einer Kundgebung der Opfer von sexuellen Übergriffen katholischer Priester gespielt, die während des Papstbesuches in Dublin stattfand. Ob es dafür Fanpost gab im hochreligiösen Irland? Hozier lächelt: „Ach, meine Mutter sagt immer: Wenn du in deinem Leben nicht ein paar Leuten auf den Schlips getreten bist, hast du was falsch gemacht.“


Hozier 2019 live in Deutschland

  • 04. September 2019 | Hamburg (Große Freiheit 36)
  • 05. September 2019 | Frankfurt (Batschkapp)
  • 09. September 2019 | Berlin (Lollapalooza Festival)
  • 11. September 2019 | München (Circus Krone)

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