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ROME veröffentlicht neues Album „Gates of Europe“ | Stream, Interview & Tour-Infos

Nur wenige Tage vor dem russischen Angriffskrieg spielte ROME zwei Konzerte in Odessa und Kyiv - und kehrte seitdem regelmäßig zurück in die Ukraine zu Freunden, Bekannten und Fans, um Charity-Konzerte zu spielen. Die Eindrücke des Krieges, die Idee eines freien Europas und die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung haben es nun auf ein ganzes Album geschafft, das emotional wie persönlich - und ein klares Bekenntnis zur Ukraine und Europa geworden ist. Im Gespräch mit Jerome Reuter erfahren wir mehr über die Beweggründe des Künstlers, die aktuelle Lage in der Ukraine und die anstehende Tour im Herbst 2023.

Foto: Kinga Hendzel / Radio Lublin

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Kaum ein Künstler kann einen derartigen musikalischen Output verzeichnen wie Jerome Reuter mit seinem Projekt ROME. Über 20 Alben in weniger als 20 Jahren sowie jede Menge weitere EPs, digitale Veröffentlichungen und Features besprechen auf sehr nahbare Weise den Zeitgeist und das Innenleben des Luxemburgers, der seine musikalische Karriere in Punkbands startete.

Heute geht es ruhiger zu, aber nicht weniger intensiv und aussagekräftig. Die tiefe Stimme von Jerome Reuter gepaart mit melancholischen Gitarrenklängen und (neuerdings) Synthiesounds wirken gerade auf dem neuen Album sehr persönlich und emotional. Das neue Werk ist wahrscheinlich das politischste Album von ROME, der aktiv Stellung bezieht und die Unterstützung der Ukraine in den Fokus stellt.

„Gates of Europe“ erscheint nicht zufällig direkt nach dem ukrainischen Unabhängigkeitstag, also am 25. August. Es ist ein Konzeptalbum geworden, das ROME besonders am Herzen liegt. Ein bedrückendes, trotziges und mutmachendes Album zugleich. ROME sind seit 2015 regelmäßig für Konzerte bei ihren Fans in der Ukraine gewesen; unter anderem vier Tage vor der Invasion, also am letzten Friedenswochenende. Dort feiert das neue Album am Release-Wochenende auch Live-Premiere bei zwei Shows in Lwiw und Kyiv.

Der Kontakt zu Freunden, Bekannten und Fans wurde im Anschluss an die Reisen durch die Ukraine noch enger und direkter. Eigentlich war ROME mit dem Schreiben neuer Songs beschäftigt. Die Ereignisse und Einschnitte der Menschen vor Ort beeinflussten das Songwriting direkt und unausweichlich. Besonders deutlich ist das auf der Vorabsingle „Yellow and Blue“ zu hören, die auf einer von Reuters Reisen durch die Ukraine in Kriegszeiten entstanden ist. Der Slogan „courage has two colours“ ist einer frühen, ukrainischen Kampagne entliehen und von Reuter zu einer wahren Kampfhymne ausgeweitet worden, die ROME zunächst nur live spielten und nun auch auf dem neuen Album zu hören ist:

ROME – Yellow and Blue (Official Video)

Nachdem ROME im Juli 2022 eine Digital-EP „Defiance“ veröffentlichte und ein Stream-Konzert zur Unterstützung eines Flüchtlingsprojekts in der Ukraine veranstaltete, war für den Musiker und seine Mitstreiter das Thema längst nicht abgeschlossen. Schnell entstanden immer mehr Songs zum Thema – und die Idee eines ganzen Albums nahm Form an.

Die Lieder der EP sind auch auf dem neuen ROME Album zu hören. Jerome Reuter präsentiert darauf einen vollen, emotionalen Sound, der Nah geht. Vor allem natürlich live in der Ukraine, wie der Luxemburger uns im Gespräch berichtet. Gerade bei intimeren Club-Konzerten sei die Atmosphäre zum Schneiden. Ausgelassener ging es im Sommer zu: Erst Ende Juli war ROME als einer von wenigen ausländischen Acts auf dem größten Festival des Landes „Faine Misto“, das trotz aller Umstände wieder stattfand. Zwischen den ersten Auftritten von ROME 2015 und den jüngsten 2023 ist viel passiert, auch was das Umfeld der Konzerte anbelangt: „Vor allem aus dem Untergrund kommen nach und nach viele Künstler, die die ukrainische Identität offen und stolz präsentieren, gerade weil sie so bedroht ist. Wir als Ausländer können da nur sagen: Wir stehen zu euch.“

Das machen ROME – ob live vor Ort, mit musikalischen Aktionen oder mit dem neuen Album „Gates of Europe“. Die 14 Songs behandeln den Widerstandswillen einer Bevölkerung, die zahlenmäßig unterlegen sein mag, aber trotzdem aus dieser verzweifelnden Position heraus nicht aufgibt. Schon der erste Song sorgt für Gänsehaut beim Hören: Mit Soundschnipeln über bedrohlich anmutenden Klängen wird man direkt in die ersten Stunden des Einmarsches katapultiert.

Ein Mittel, das wir schon von anderen ROME Produktionen kennen, aber noch nie besser passte: „Ich mag Soundlayer, die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Ebenen, die ein bisschen im Konflikt zueinander stehen. Das hilft eine Sache gleichzeitig aus verschiedenen Blickwinkeln darlegen zu können“, erklärt Jerome Reuter das Stilmittel, das auch auf einigen weiteren Songs des Albums zu hören ist. Es handelt sich dabei übrigens nicht nur um TV-Mitschnitte, sondern auch Audioaufnahmen, die Freunde und Bekannte aus der Ukraine geschickt haben, direkt von der Front oder von einem Drohnenangriff vom heimischen Fenster aus.

Jerome Reuter wünscht sich, dass die Menschen in Westeuropa ein bisschen mehr Zugang zur Situation in der Ukraine bekommen und gerade das menschliche Leid nicht vergessen. Das neue ROME Album bezieht klar Stellung: „Es sind auch bei uns viel Propaganda und Ressentiments im Umlauf, da möchte ich Teil des Gegenpols sein und zeigen: Die Leute kämpfen schon länger für ihre Freiheit. Das haben wir hier früher auch gemacht, wir bauen auf den gleichen Werten auf, daher sollten wir die Menschen vor Ort unterstützen.“

ROME – Going Back To Kyiv (Official Video)

Die Unterstützung von ROME für den ukrainischen Freiheitskampf wird auf den 14 Songs mehr als deutlich. Aber es ist auch ein glühendes Bekenntnis zu Europa, spiegelt die Geschichte des Kontinents wieder und regt zum Nachdenken gerade in Bezug zu unserer stets sicher geglaubten Freiheit an. Für viele langjährige Fans dürfte das keine Überraschung sein: Die Vielfalt der europäischen Kultur thematisiert Jerome Reuter immer wieder.

Die Kulturszene in der Ukraine beobachtet Jerome Reuter genau: „Es gibt noch eine aktive Kulturszene – viele Bands, deren Mitglieder nicht gerade an der Front sind, versuchen weiterzumachen. Kultur hilft den Menschen, auch mal auf andere Gedanken zu kommen. Man darf nicht vergessen: Das Leben dort geht weiter – muss ja auch weitergehen. In einigen Teilen des Landes ist recht ruhig, in anderen sehr heiß, natürlich ist die Kultur auch Kriegsschauplatz. Der ukrainischen Kultur wird aktuell mehr Ausdruck verliehen durch die Abkoppelung von Russland, die Identität des Landes und der Menschen vor Ort oder den Demokratiewillen der jungen Menschen – das alles spiegelt sich aktuell auch stark in der Kulturbranche ab. Vor allem möchten sich die Ukrainer frei sagen von jeglichem Fremdeinfluss – das kann man gut beobachten zurzeit, da fallen viele Barrieren und bilden sich neue Chancen.“

Im Oktober geht es für ROME wieder auf Tour – auch Konzerte in der Ukraine sind wieder geplant, direkt am Wochenende des Album-Releases. Die Shows stehen ganz im Zeichen des neuen Albums, das Konzept der Live-Auftritte steht soweit. Die Termine in Deutschland lauten wie folgt:

ROME | Gates of Europe Tour 2023 | Live in Deutschland & Österreich

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